DIE NEUE GRUNDSTEUER
NACHWEIS DES „TATSÄCHLICHEN (NIEDRIGEREN) WERTS DES GRUND UND BODENS“Durch die Neubewertung zum Stichtag 1. Januar 2022 werden nach dem Landesgrundsteuergesetz (LGrStG) alle wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (Grundsteuer B) in Baden-Württemberg auf Grundlage der hierzu durch die Gutachterausschüsse veröffentlichten Bodenrichtwerte neu bewertet. Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen auf den Hauptfeststellungszeitpunkt zu ermitteln und werden für die Eigentümerinnen und Eigentümer seit dem 1. Juli 2022 auf dem Webportal BORIS-BW im Produkt "Grundsteuer B" (https://grundsteuer-b.landbw.de) veröffentlicht.
Das Landesgrundsteuergesetz beinhaltet in § 38 Absatz 4 eine sogenannte „Öffnungsklausel“:
»Ein anderer Wert des Grundstücks kann auf Antrag angesetzt werden, wenn der durch ein qualifiziertes Gutachten nachgewiesene tatsächliche Wert des Grund und Bodens zum Zeitpunkt der Hauptfeststellung mehr als 30 Prozent von dem Wert nach Absatz 1 oder 3 abweicht. […]«
Diese Öffnungsklausel ermöglicht den Eigentümerinnen und Eigentümern, ein qualifiziertes Gutachten einzureichen und somit den tatsächlichen Wert des Grund und Bodens des individuellen Grundstücks bzw. der wirtschaftlichen Einheit abweichend vom festgestellten Grundsteuerwert (Bodenrichtwert x Grundstücksgröße) nachzuweisen. Es ist zu beachten, dass die Abweichung gegenüber dem Grundsteuerwert nach § 38 Absatz 1 oder 3 LGrStG mehr als 30 Prozent betragen muss. Folglich müssen deutliche Abweichungen vom Bodenrichtwertgrundstück vorliegen, um den Nachweis eines niedrigeren Werts des Grund und Bodens gemäß § 38 Absatz 4 LGrStG führen zu können.[1]
Als zertifizierte Sachverständige meiner Akkreditierungsstelle bin ich von der Oberfinanzdirektion Karlsruhe befugt Gutachten zum Nachweis gemäß § 38 Absatz 4 Satz 2 LGrStG zu erstatten.
[1] Auszug aus dem Merkblatt der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Stand 16.11.2022
Hier erhalten Sie eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten den Wert einer Immobilie zu ermitteln und erfahren wann Sie ein Vollgutachten brauchen.
- Sie möchten eine Immobilie kaufen oder verkaufen: Für interne private Zwecke und zur ersten Orientierung reicht manchmal eine kostenlose Online-Bewertung. Die bessere Wahl wäre allerdings ein fundiertes Kurzgutachten (Gutacherliche Kurzstellungnahme) mit Ortsbegehung und Einsicht der notwendigen Unterlagen eines zertifizierten Gutachters, denn Online-Bewertungen sind lediglich sehr grobe und ungenaue Einschätzungen.
- Sie lassen sich scheiden, das Haus soll verkauft werden oder einer der Parteien übernimmt die Immobilie und möchte die andere Partei ausbezahlen. Geht die Scheidung einvernehmlich von statten, genügt ein Kurzgutachten. Kommt es allerdings zum Streit, der vor Gericht endet, brauchen Sie zwingend ein Verkehrswertgutachten (Vollgutachten) eines zertifizierten oder öffentlich bestellten Gutachters. Nur diese werden von den Gerichten anerkannt.
Eine Online-Bewertung wäre hier zu ungenau und würde im weiteren Verlauf der Verkaufsverhandlungen schnell zu Streitpotential führen. Ist sich die Erbengemeinschaft von vornherein uneinig, ist ein Verkehrswertgutachten (Vollgutachten) unbedingt zu empfehlen, da nur diese von Gerichten anerkannt werden. Verkehrswertgutachten werden von Gerichten anerkannt, wenn sie von zertifizierten Gutachtern erstattet werden.
- Sie möchten Vermögen übertragen. Um betriebliches in Privatvermögen zu übertragen benötigen Sie ein Verkehrswertgutachten (Vollgutachten).
Eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten den Wert einer Immobilie zu ermitteln:
- Verwendung: Gerichtliche Auseinandersetzung bei Scheidung oder Erbschaft, Zwangsversteigerung, Vorlage bei Behörden (z.B. Finanzamt, Vormundschaftsgericht, Nachlassgericht)
- Rechtssicher: Wird nur von zertifizierten oder öffentlich bestellten Sachverständigen von den Gerichten anerkannt
- Inhalt: Detaillierte und methodische Berechnung des Verkehrswertes nach § 194 BauGB mit ausführlicher Beschreibung und Begründung sowie Anlagen und Auszügen aus Registern
- Vorgehen: Wird erstattet nach eingehender Ortsbesichtigung und unter Berücksichtigung aller wertrelevanter Faktoren wie z.B. der bauliche Zustand des Gebäudes, die Lage des Grundstücks, Eintragungen im Grundbuch und im Baulastenverzeichnis, aktuelle Marktlage etc.
- Umfang: ca. 30 – 50 Seiten, je nach Bewertungsobjekt auch mehr
- Kosten: Das Honorar richtet sich in aller Regel nach dem Verkehrswert des Bewertungsobjekts, des Zeitaufwands sowie des Schwierigkeitsgrades (z.B. Berücksichtigung von Wohnrechten, Nießbrauch, Erbbaurecht, etc.) und ist angelehnt an die BVS-Richtlinie (Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V.) zur Berechnung von Honoraren für Wertermittlungsgutachten über Immobilien.
Ab 1.800,00 € netto zzgl. 19% Mehrwertsteuer (2.142 € inkl. Mwst.). Auf Anfrage erhalten Sie gerne unsere aktuell gültige Honorartabelle.
Wichtig: Sachverständige bzw. Gutachter sind in Deutschland keine geschützten Berufsbezeichnungen. Verkehrswertgutachten werden auch von nicht geprüften und nicht zertifizierten Sachverständigen/Gutachtern angeboten. Vergewissern Sie sich daher, dass der Sachverständige/Gutachter zertifiziert oder öffentlich bestellt ist und eine ausreichende Vermögensschadenshaftpflicht besitzt, damit Vermögensschäden für Sie ausgeschlossen sind.
Kurzgutachten (Gutachterliche Kurzstellungnahme)
- Verwendung: Nur für private Verwendung geeignet, wie z.B. Immobilienkauf oder -verkauf, einvernehmliche Scheidung, einvernehmliche Erbschaft.
- Nicht rechtssicher: Wird von Gerichten und Behörden nicht anerkannt
- Inhalt und Vorgehen: Genauso fundiert (mit Objektbesichtigung und Überprüfung der Unterlagen) aber weniger umfassend als das Verkehrswertgutachten. Keine ausführliche Beschreibung der Lage, des Gebäudes oder der angewandten Wertansätze. Ersteinschätzung von Bauschäden und des Instandhaltungsstaus (grobe Schätzung)
- Umfang: ca. 15 – 20 Seiten
- Kosten: Die Investition beträgt 60 % der Kosten (des vorläufigen Verfahrensergebnisses) eines vergleichbaren ausführlichen Verkehrswertgutachtens (siehe oben) zuzüglich evtl. Wohnrechte, Nießbrauch, Altalsten etc. gemäß der jeweils gültigen Honorartabelle.
Gutachterliche Werteinschätzung
- Verwendung: Nur für interne private Zwecke. Geeignet für eine erste Einschätzung des Marktwertes einer Immobilie vor Kauf oder Verkauf. Nur für Standardimmobilien wie z.B. Eigentumswohnungen, Ein- und Zweifamilienhäuser. Ohne Berücksichtigung evtl. eingetragener Rechte und Belastungen.
- Nicht rechtssicher: Wird von Gerichten und Behörden nicht anerkannt
- Inhalt und Vorgehen: Ortsbesichtigung. Kurze Erläuterungen zu den durchgeführten Berechnungen. Angabe einer Wertspanne von .... bis.
- Kosten: je nach Größe, Aufbau und Zustand der Immobilie ab 800,- Euro netto zzgl. 19 % Mehrwertsteuer (952 € inkl. Mwst.).
Online-Immobilienbewertung über diverse Portale
- Verwendung: nur für interne private Zwecke geeignet. Dient als erste Einschätzung manchmal vor einem Immobilienverkauf
- Nicht rechtssicher
- Inhalt: Ungenau, da i.d.R. ohne vorherige Objektbesichtigung und ohne Berücksichtigung individueller, den Kaufpreis beeinflussender Merkmale
- Vorgehen: Einfach und schnell, per E-Mail
- Meist kostenfrei
Schiedsgutachten
Ein Schiedsgutachten soll den zeit- und kostenaufwändigen Gang zum Gericht vermeiden und von den Parteien als verbindliche Entscheidung anerkannt werden (Schiedsgutachtenvereinbarung). Hierbei einigen sich die Parteien für einen unabhängigen, unparteiischen und qualifizierten Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens für den erforderlichen Zweck.
Darüber hinaus gibt es noch die
Gutachterliche Stellungnahme, die allerdings nicht dazu dient, den umfassenden Wert der Immobilie zu ermitteln, sondern
- der Beantwortung einer konkreten Fragestellung zu einer Immobilie in freier Form und Länge oder
- zur Überprüfung eines bestehenden Gutachtens
Bei allen Gutachtenarten, außer bei der Online-Bewertung, erfolgt eine kostenlose Erstberatung, desweiteren ist 1 Ortsbesichtigung im Vertragsumfang enthalten.
Legen Sie Wert auf die Zertifizierung des Sachverständigen, wenn Sie Ihre Immobilie bewerten lassen
Die Berufsbezeichnung „Sachverständiger“ ist kein klassischer Ausbildungsberuf und ist gesetzlich nicht geschützt. Die Verwendung desselben steht daher grundsätzlich jeder Person offen. Achten Sie deshalb besonders auf die Qualifikation und Zertifizierung des Sachverständigen für die Bewertung Ihrer Immobilie.
Bei der Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 handelt es sich um eine Personenzertifizierung mit europaweiter Anerkennung. Sie ist ein Beleg der besonderen und aktuellen Sachkunde und einer hohen persönlichen Integrität. Zertifizierte Sachverständige sind verpflichtet Ihre Sachkunde regelmäßig nachzuweisen.
Rechtliche Gleichstellung der Zertifizierung nach DIN EN ISO/IEC 17024 und einer öffentlichen Bestellung
Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen gemäß § 404 Abs. 3 ZPO vom Gericht andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern. Die Vorschrift ist jedoch als bloße Orientierungsvorschrift auszulegen (Zöller-Greger, ZPO, § 404 Rn.2; OLG Hamm, Urteil vom 07.06.2010 - Az.6 U 213/08, OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.12.2012, Az. I-23 U 181/11). Eine Anpassung des § 404 ZPO wird vom Gesetzgeber für nicht erforderlich erachtet, weil ein Abweichen von dieser Vorgabe (Ordnungsvorschrift) ohne Folgen bleibt und die Gerichte in ihrer freien Sachverständigenwahl nicht unzulässig eingeschränkt werden.
Dementsprechend handelt das Gericht nicht fehlerhaft, wenn es einen nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifizierten Sachverständigen und nicht einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragt.
Ist ein Sachverständiger zertifiziert, aber nicht öffentlich bestellt, so begründet die fehlende öffentliche Bestellung keine Vermutung für fehlende Fachkunde. Vielmehr ergibt sich die Sachkunde aus seiner Zertifizierung.* Eine solche Zertifizierung, erfolgt sie nach dem Standard DIN EN ISO/IEC 17024, ist ein der öffentlichen Bestellung vergleichbarer Sachkundenachweis und diesem gleichzusetzen (LG Hechingen, Beschluss vom 19.07.2017, Az. 1 OH 19/15). Experten gehen inzwischen davon aus, dass diese Zertifizierung die öffentliche Bestellung mit der Zeit ablösen wird.
* Zertifizierte Sachverständige unterliegen hinsichtlich ihrer persönlichen Eignung und fachlichen Qualifikation regelmäßigen Kontrollen. Das Prüfungsverfahren umfasst einen schriftlichen, einen mündlichen, einen praktischen Teil sowie eine Gutachtenüberprüfung. Es werden regelmäßig Gutachten kontrolliert und Fortbildungen gefordert.
Europaweite Anerkennung der Norm EN ISO/IEC 17024
Mit einer Umsetzungsrichtlinie hat der Gesetzgeber auf die Entscheidung der Europäischen Union reagiert, die europaweite Qualifikation von Sachverständigen über eine Norm zu regeln. Damit hat sich die EU explizit gegen die Übernahme des deutschen Modells "öffentliche Bestellung" und für einen freien Markt entschieden. Über die europaweite Anerkennung der Norm EN ISO/IEC 17024 hat die EU das in Deutschland geltende Monopol der Kammern bei der Zulassung von Sachverständigen endgültig gebrochen. Damit ist eine Gleichstellung des nach EN ISO/IEC 17024 zertifizierten und des öffentlichen bestellten Sachverständigen gegeben.